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Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zum Entwurf eines Bundesbesoldungs- und -ver­sor­gungs­an­passungs­gesetzes (BBVAnpG 2021/2022)

 

Der Deutsche Richterbund nimmt zu dem Entwurf eines Bundesbesoldungs- und -ver­sor­gungs­an­passungs­gesetzes 2021/2022 – aufgrund der nur kurzen Frist zur Stellungnahme von zwei Wochen lediglich kursorisch – wie folgt Stellung:

1. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sollen die Dienst- und Versorgungsbezüge im Bund unter Berücksichtigung der Tarifeinigung für die Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes des Bundes und der Kommunen vom 25. Oktober 2020 zeitgleich und systemgerecht auf die Besoldungs- und Versorgungsberechtigten des Bundes übertragen werden. Im Ergebnis sollen die Dienst- und Versorgungsbezüge zum 1. April 2021 um 1,2 Prozent und zum 1. April 2022 um 1,8 Prozent linear angehoben werden. Der Deutsche Richterbund begrüßt die geplante Übertragung des Tarifabschlusses auf die Bundesbesoldungs- und Versorgungsempfänger dem Grunde nach ausdrücklich. Der Gesetzgeber entspricht damit der Regelung in § 14 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) und § 70 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG), die Bezüge der Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten, Beamtinnen und Beamten, Soldatinnen und Soldaten sowie der Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger regelmäßig entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse anzupassen.

2. Soweit die Erhöhung im Jahr 2021 gemäß § 14a Absatz 2 Satz 1 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 2 BBesG um 0,2 Prozentpunkte gegenüber dem Tarifabschluss vermindert worden ist, um diese betraglich der Versorgungsrücklage zuzuführen, stellt dies ein mittlerweile nur noch schwer zu vermittelndes Sonderopfer der Besoldungs- und Versorgungsempfängerinnen und -empfänger dar, da der geringere Erhöhungssatz zu einer dauerhaft wirkenden Verminderung des Besoldungs- und Versorgungsniveaus führt.

3. Entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 5. Mai 2015, 2 BvL 17/09 u. a., Beschluss vom 17. November 2015, 2 BvL 19/09, Beschlüsse vom 4. Mai 2020, 2 BvL 4/18 und 2 BvL 6/17 u. a.) zeigt der Gesetzentwurf das Verhältnis zwischen Besoldungsindex und Tarif-, Nominallohn- und Verbraucherpreisindex unter Zugrundelegung eines Überprüfungszeitraums von 15 Jahren ebenso wie die Entwicklung der Abstände zwischen einzelnen Besoldungsgruppen und einen Vergleich der Besoldungsniveaus im Bund und in den Ländern auf. Danach bleibt die Besoldungsentwicklung hinter der Entwicklung der Tarifentgelte im öffentlichen Dienst, bezogen auf den Vergleichszeitraum von 2005 bis 2020 um 1,61 Prozent zurück. Gegenüber dem Nominallohnindex ergibt sich eine negative Abweichung der Besoldungsentwicklung von 2,96 Prozent. Nur hinsichtlich des Verbraucherpreisindex hat sich die Besoldung deutlich besser entwickelt: Hier bleibt der Verbraucherpreisindex hinter der Besoldungsentwicklung um 8,19 Prozent zurück. Danach erreicht keiner der vorgenannten volkswirtschaftlichen Parameter den Grenzunterschiedswert von fünf Prozent, welcher ein Indiz für eine verfassungswidrige Unteralimentation wäre. Gleiches gilt für den Abstand zwischen den Bruttogehältern einzelner Besoldungsgruppen und dem Vergleich der durchschnittlichen Besoldungshöhe von Bund und Ländern.

4. Mit den im Gesetzentwurf vorgeschlagenen neuen Regelungen zum Familienzuschlag und zum regionalen Ergänzungszuschlag zum Familienzuschlag wird erreicht, dass die Nettoalimentation verheirateter oder verpartnerter Besoldungsberechtigter mit zwei Kindern den verfassungsrechtlich notwendigen Abstand von 115 % zum sozialhilferechtlichen Existenzminimum für eine entsprechende Familie erreicht. Nach dem Gesetzentwurf soll nicht die Grundbesoldung in der untersten Besoldungsstufe erhöht werden, sondern die Besoldung durch Erhöhung der Familienzuschläge (bereits) für das erste und zweite Kind stärker als bisher von den tatsächlichen Lebensverhältnissen abhängig gemacht werden. In diesem Zusammenhang will der Gesetzgeber die Mindestbesoldung auch nicht an den – sehr schwierig zu ermittelnden – stark örtlich differierenden Wohnkosten pauschal an den regionalen Höchstwerten ausrichten, sondern die Wohnkosten anhand der unterschiedlichen Mietenstufen des WoGG, denen alle Kommunen entsprechend den örtlichen Verhältnissen des Mietwohnungsmarktes zugeordnet sind, anpassen und einen entsprechend regional gestaffelten Ergänzungszuschlag einführen.

Die Regelungen zum Familienzuschlag dürften mit ihrer Bezugnahme auf das örtliche Preisniveau vertretbar sein. Die Anknüpfung an die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2018 für die Einpreisung der Ersparnisse von Grundsicherungsempfängern durch Sozialtarife öffentlicher Einrichtungen erscheint sachgerecht und dürfte auch in der Praxis handhabbar sein.

Zu begrüßen ist, dass der Gesetzentwurf die Anknüpfung an für die gerichtliche Praxis schwer zu beschaffende Statistiken der Bundesagentur für Arbeit vermeidet; auch wenn das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der den Entscheidungen vom 4. Mai 2020 zugrunde liegenden Normenkontrollverfahren entsprechende Sonderstatistiken der Bundesagentur für Arbeit herangezogen hat, hat es ausdrücklich andere tragfähig begründete Wege offengelassen. Es ist aus praktischer Sicht daher nicht zu beanstanden, wenn an die Werte der Wohngeldtabelle zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10 Prozent angeknüpft wird. Die tatsächlichen Mietkosten können dadurch zwar nicht abgebildet werden. Es entspricht aber der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, für den Fall, dass kein rechtmäßiges „schlüssiges Konzept“ im Sinne eines Mietspiegels zur Abbildung des tatsächlichen Mietpreisniveaus in einzelnen Landkreisen oder Städten vorliegt, zur Bestimmung der Bedarfe für die Unterkunft, die Grundsicherungsempfängern nach dem SGB II zu gewähren sind, an die Werte der Wohngeldtabelle mit einem Zuschlag von 10 Prozent anzuknüpfen. Dementsprechend bestehen auch gegen die Heizkostenberechnung keine Bedenken.

Zu bemängeln ist jedoch, dass bei Umsetzung des mit dem Gesetzentwurf vorgeschlagenen neuen Familienzuschlags und des regionalen Ergänzungszuschlags für Wohnkosten der vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene Mindestabstand zwischen der untersten Besoldungsgruppe und dem Grundsicherungsniveau nur gerade eben gewahrt wird: Er beträgt dann 115,51 Prozent!

5. Alles in allem ist die mit dem vorgelegten Gesetzentwurf vorgeschlagene Besoldungserhöhung nach den vom BVerfG entwickelten Prüfkriterien zwar nicht evident verfassungswidrig und im Hinblick auf das Tarifergebnis vom 25. Oktober 2020 im Ergebnis zu begrüßen, bzw. im Hinblick auf die Entwicklung des Verbraucherpreises (bezogen auf das gesamte Bundesgebiet) sogar erfreulich. Zu bemängeln ist jedoch, dass die Besoldungsentwicklung hinter der Entwicklung der Tariflöhne und der Nominallöhne weiterhin zurückbleibt. Zwar sind die negativen Abweichungen der Besoldungsentwicklung auf einen 15-Jahres-Zeitraum nicht in verfassungsrechtlicher Weise besorgniserregend groß, da diese nur 1,61 Prozent bzw. 2,96 Prozent betragen. Sie stellen jedoch weiterhin ein Sinnbild einer Besoldungsgesetzgebung dar, die sich nur an der verfassungsrechtlichen untersten Grenze orientiert.

Der vorliegende Gesetzentwurf lässt nicht erkennen, dass der Besoldungsgesetzgeber gewillt ist, die Bundesbesoldung auf ein Niveau zu erhöhen, die sich in Grundzügen dem Gehalt der in der Privatwirtschaft beschäftigten Juristen in entsprechend der Qualifikation und Verantwortung vergleichbaren Positionen annähert. Dadurch verpasst der Bundesbesoldungsgesetzgeber erneut die Chance, die Attraktivität des Richter- und Staatsanwaltsberufes zu steigern.