In dem konkreten Normenkontrollverfahren 2 BvL /16
- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 17. März 2016 - 6 K 83/14 -
nimmt der Deutsche Richterbund gemäß § 27a BVerfGG wie folgt Stellung:
I. Allgemeines
Der Deutsche Richterbund begrüßt die vom Verwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen beschlossene Vorlage zur Amtsangemessenheit der Alimentation bezogen auf die Besoldungsgruppe R 1 in dem Verfahren 6 K 83/14 vom 17. März 2016.
Der Deutsche Richterbund ist mit der vorlegenden Kammer des Verwaltungsgerichts der Auffassung, dass die der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis zum 31. Dezember 2014 gewährte Besoldung evident nicht (mehr) amtsangemessen ist.
II. Zur Zulässigkeit der konkreten Normenkontrollklage
Es bestehen keine Bedenken hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Vorlage des Verfahrens nach Artikel 100 Abs. 1 GG.
Die Voraussetzungen für eine solche Vorlage sind hier erfüllt.
Vorlagegegenstand sind die im Tenor des Vorlagebeschlusses bezeichneten Gesetzesbestimmungen, die Grundlage der Besoldung der Klägerin in den hier streitgegenständlichen Jahren 2013 und 2014 sind. Dabei handelt es sich um nachkonstitutionelle formelle Gesetze des Bundes sowie des Landes Bremen, mithin um Gesetze im Sinne des Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG.
Für die Entscheidung in dem Feststellungsverfahren ist die verfassungsrechtliche Beurteilung des Vorlagegegenstandes entscheidungserheblich. Auf dessen Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz, hier mit Art. 33 Abs. 5 GG, bzw. auf die Gültigkeit der hier maßgeblichen Gesetzesnormen kommt es im Sinne des Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG bei der Entscheidung der Kammer an (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 2002 - 2 BvL 5/99 -; BVerfGE 105, 61, 67 m.w.N.). Die Begründetheit der Klage ist davon abhängig, in welcher Weise die im Tenor des Vorlagebeschlusses formulierte Fragestellung beantwortet wird. Bei Ungültigkeit der besoldungsrelevanten Normen, d. h. hier bei Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit (Unvereinbarkeit mit Art. 33 Abs. 5 GG), müsste die Kammer anders entscheiden als im Falle ihrer Gültigkeit: Erweisen sich die für die Besoldung der Klägerin für die Jahre 2013 und 2014 maßgeblichen Vorschriften als verfassungswidrig, müsste das Verwaltungsgericht der Klage stattgeben. Anderenfalls müsste es die Klage insgesamt abweisen (BVerfG, Urteil vom 8. April 1987 – 1 BvL 8, 16/84 –, BVerfGE 75, 40, 55; Beschluss vom 1. Juli 1986 – 1 BvL 26/83 –, BVerfGE 73, 301, 312). Eine Möglichkeit, den Rechtsstreit entscheiden zu können, ohne die hier maßgeblichen Normen anwenden zu müssen, besteht nicht. Die hier einschlägigen, die Besoldung maßgeblich bestimmenden Vorschriften sind klar und bestimmt gefasst und keiner - vom Gesetzeswortlaut und insbesondere von den in den Vorschriften bzw. deren Anlagen genannten Zahlen abweichenden - Auslegung zugänglich.
Zutreffend ist das Verwaltungsgericht von einer Feststellungsklage als zulässige Klageart zur Geltendmachung einer nicht amtsangemessenen Alimentation ausgegangen. Diese ist statthaft (BVerwG, Urteil vom 28. April 2011 – 2 C 51.08 –, juris Rdnr. 15); der Grundsatz der Subsidiarität einer Feststellungsklage gegenüber der allgemeinen Leistungsklage steht der Zulässigkeit der erhobenen Klage ebenfalls nicht entgegen (BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2009 - 2 BvL 13/08 u.a. -, juris Rdnr. 12 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 28. April 2011, a.a.O).
Das vorlegende Gericht hat auch im Einzelnen dargelegt, aus welchen Gründen es sich hier um eine Verletzung der Pflicht des Dienstherrn zu einer amtsangemessenen Alimentation handelt und insoweit die Besoldungsregelungen für das Land Bremen für den streitgegenständlichen Zeitraum 2013 und 2014 mit Artikel 33 Abs. 5 GG nicht vereinbar sind.
III. Zur Begründetheit der konkreten Normenkontrollklage
1. Evident unzureichende Höhe der Alimentation
Der Deutsche Richterbund teilt die Auffassung des vorlegenden Gerichts, dass die Besoldung der Klägerin in den Jahren 2013 und 2014 evident unzureichend gewesen ist und damit gegen das Alimentationsprinzip gemäß Art. 33 Abs. 5 GG verstößt.
Die Grundgehaltssätze der Besoldungsordnung R genügen in der Besoldungsgruppe R 1 in Bremen in den Jahren 2013 und 2014 nicht, um einem Richter nach der mit seinem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung dieser Ämter für die Allgemeinheit einen der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards angemessenen Lebensunterhalt zu ermöglichen. Das beklagte Land hat bei der Festlegung der Grundgehaltssätze die Sicherung der Attraktivität des Amtes eines Richters für entsprechend qualifizierte Kräfte, das Ansehen dieses Amtes in den Augen der Gesellschaft, die vom Richter geforderte Ausbildung, seine Verantwortung und seine Beanspruchung nicht hinreichend berücksichtigt.
Das Verwaltungsgericht ist entsprechend der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Kriterien (vgl. BVerfG, Urteil vom 5. Mai 2015 - 2 BvL 17/09 und Beschluss vom 17. November 2015 - 2 BvL 19/09) aufgrund Vergleichs der Besoldungsentwicklung im Land Bremen mit den Tarifergebnissen der Angestellten im öffentlichen Dienst mit vergleichbarer Ausbildung und Tätigkeit, der Entwicklung des Nominallohnindex, der Entwicklung des Verbraucherpreisindex sowie eines Vergleichs zwischen den Besoldungsordnungen im Land Bremen sowie eines Vergleichs der Besoldung im Land Bremen mit der Besoldung des Bundes und anderer Länder zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass die Vermutung für eine evident unzureichende Alimentation im Rahmen der R 1-Besoldung besteht.
a. Soweit die vorlegende Kammer die Entwicklung der Indizes über einen Zeitraum von 15 Jahren verglichen hat, entspricht dies der Betrachtungsweise des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Urteil vom 5. Mai 2015 - 2 BvL 17/09 und Beschluss vom 17. November 2015 - 2 BvL 19/09).
Soweit das Verwaltungsgericht als Ausgangspunkt der Berechnungen der Grundbesoldung jeweils den 1. Januar eines Jahres (hier der Jahre 1999, 2000 und 1994) zugrunde gelegt hat, ist zu beachten, dass eventuelle Erhöhungen, die schon zum 1. Januar des jeweiligen Jahres wirksam werden, ebenfalls bei Berechnung der Indizes berücksichtigt werden. Deshalb sollte als Ausgangspunkt für die Vergleichsberechnungen (Index = 100) besser die zum am 31. Dezember des jeweiligen Vorjahres gewährte Besoldung zu Grunde gelegt werden. Dies hat hier aber keine konkreten Auswirkungen, da in den Jahren 1994, 1999 und 2000 keine Erhöhungen zum 1. Januar erfolgten.
b. Zur Bereinigung etwaiger statistischer Ausreißer hat das Verwaltungsgericht entsprechend der Vorgehensweise des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 5. Mai 2015 - 2 BvL 17/09) zusätzlich zu dem Vergleichszeitraum der zurückliegenden 15 Jahre einen weiteren gleichlangen Zeitraum, der fünf Jahre vor Beginn des genannten 15-jährigen Betrachtungszeitraums abdeckt und sich mit diesem Zeitraum überlappt, durchgeführt. Bei vorgenannter Verfahrensweise werden jedoch lediglich zwei Zahlenwerte miteinander verglichen, um statistische Ausreißer zu ermitteln. Vorzugswürdig ist nach Auffassung des Deutschen Richterbundes, nicht nur den 15-Jahres-Zeitraum, der fünf Jahre vor dem eigentlich zu betrachtenden Zeitraum liegt, heranzuziehen, sondern auch die vier weiteren 15-Jahreszeiträume dazwischen. So könnte ein Vergleich zwischen insgesamt sechs Vergleichswerten vorgenommen werden, ohne dass dies einen nennenswert höheren Aufwand erfordert. Ausreißer wären besser zu erkennen. Das vom beklagten Land angeführte Argument, dass beim Vergleich der Besoldungsentwicklung und der Entwicklung des Nominallohnindex im Land Bremen unter Berücksichtigung des Kontrollzeitraumes von 1996 bis 2010 die Werte für die Zeiträume 1999 bis 2013 bzw. 2000 bis 2014 als statistische Ausreißer zu betrachten seien, ist danach nicht haltbar. Betrachtet man nämlich zusätzlich auch den Zeitraum der vier weiteren 15-Jahreszeiträume ist es offensichtlich, dass man nicht von einem statistischen Ausreißer der vom Gericht zu beurteilenden Zeiträume ausgehen kann. Zumal man bei einem Vergleich nur zweier Zeiträume sich durchaus die Frage stellen kann, welcher der beiden Werte der „Ausreißer“ sein soll.
c. Das Verwaltungsgericht hat zur Überprüfung der Amtsangemessenheit der Alimentation für die Jahre 2013 und 2014 im Rahmen einer relativen Betrachtungsweise die Entwicklung der Besoldung mit der Entwicklung der Tariflöhne, der Nominallöhne und dem Verbraucherpreisen in einem Zeitraum von nur 15 Jahren (zzgl. Kontrollzeitraum von 15 Jahren, der fünf Jahre davor liegt) verglichen. Dieser Zeitraum soll etwa der Hälfte der Lebensdienstzeit eines Richters oder Staatsanwalts entsprechen und dazu dienen, zufällige Ausschläge einerseits aufzufangen und andererseits eine methodische Vergleichbarkeit noch zu gewährleisten.
Nachteil dieser Methode ist, dass unterstellt werden muss, dass die Besoldung im jeweils 16. bzw. 21. Jahr vor dem streitgegenständlichen liegenden Jahr (hier: 1998 bzw. 1993) amtsangemessen und damit verfassungsgemäß im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG gewesen war. Weiterer Nachteil der Methode ist, dass alle früheren Kürzungen durch die immerwährende Fortschreibung der jeweils vorjährigen Besoldungstabellen quasi „ewig“ fortwirken, wofür eine belastbare Rechtfertigung fehlt (Stuttmann, „Zeitwende - Die Bestimmung der Minimalbesoldung nach dem BVerfG“ in NVwZ 2015, 1007).
Der Vergleichszeitraum von 15 Jahren erscheint aus Sicht des Deutschen Richterbundes zu kurz. Nach hiesiger Auffassung sollte der Vergleichszeitraum jedenfalls auf wenigstens 20 Jahre zuzüglich der jeweiligen Jahre bis fünf Jahre davor zur Eliminierung statistischer Ausreißer ausgeweitet werden, wenngleich die vorgenannten Nachteile so zwar nicht beseitigt, in ihren Auswirkungen aber abgeschwächt würden. Darüber hinaus dürfte die Lebensdienstzeit eines Richters in der Bundesrepublik Deutschland häufig mehr als 30 Jahre betragen, wenn man davon ausgeht, dass es heute keine Seltenheit mehr ist, dass Richterinnen und Richter bzw. Staatsanwältinnen und Staatsanwälte bereits im Alter von 26 Jahren die Befähigung zum Richteramt erlangen und dementsprechend bis zur Erlangung des Pensionsalters 40 Jahre ihren Dienst verrichten.
d. Soweit das Verwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen in dem vorgelegten Verfahren zur Berechnung des Besoldungsindex im 15-Jahres-Zeitraum einen Vergleich der effektiven Monatseinkünfte (einschließlich Sonderzahlungen und Urlaubsgeld) der Endstufe der Besoldungsgruppe R 1 jeweils zu Beginn und zum Ende des zu betrachtenden Zeitraums vorgenommen hat, ist dies mathematisch nicht zu beanstanden und kommt bei geringem Aufwand zu demselben Ergebnis, wie der in den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Mai 2015 und 17. November 2015 aufgezeigte Rechenweg.
Aufgrund des Vergleichs lediglich der Monatsbesoldung am Anfang und am Ende des Vergleichszeitraums bleibt jedoch der Umstand der seit jeher vom Deutschen Richterbund kritisierten zeitversetzten Übernahme der Tarifabschlüsse für die R-Besoldung weiterhin außer Acht. Die zeitversetzte Übernahme führt dazu, dass dem R-1-Besoldungsempfänger bezogen auf den Zeitraum von 15 Jahren in der Summe erheblich weniger Einkommen zur Verfügung steht.
Anzuerkennen ist zwar, dass das vorlegende Verwaltungsgericht diesen Umstand zumindest mittelbar bei der Bewertung der Alimentation berücksichtigen will und (entsprechend BVerfG, Beschluss vom 17. November 2015 - 2 BvL 19/09 u. a. - Rdnr. 91) zumindest bei der Berechnung des Tariflohnindex berücksichtigt hat (vgl. Urteil des VG Bremen vom 18. März 2016 - 6 K 83/14 Seite 13 unten / Seite 14 oben). Vorzugswürdig wäre es jedoch, die gegenüber der Tariferhöhung im öffentlichen Dienst nur zeitversetzte Erhöhung der R-Besoldung schon bei der Ermittlung des Index zur Besoldungsentwicklung zu berücksichtigen. Dies wäre zum Beispiel dadurch möglich, dass man statt der Monatsbesoldung die konkrete Jahresbesoldung als Vergleichsmaßstab zu Grunde legt, sie für 15 Jahre zusammenrechnet und diese Summe mit dem 15-fachen Jahresgehalt zu Beginn der zu betrachtenden Periode vergleicht.
e. Im Hinblick auf die vorzunehmende Evidenzprüfung ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht zur Ermittlung der Entwicklung der Tarifgehälter im öffentlichen Dienst auf die Daten des statistischen Bundesamt zurückgegriffen hat, obwohl diese die Änderungen bei Einmalzahlungen (Urlaubsgeld, Jahressonderzahlung) nicht abbilden, da umgekehrt auch die Erhöhungen durch Fest- oder Sockelbeträge nicht erfasst werden. Die dadurch entstehenden Verzerrungen haben - wie das Verwaltungsgericht nachvollziehbar aufgezeigt hat - letztlich für die Berechnung der Differenz zwischen Besoldungsentwicklung und Entwicklung der Tarifgehälter im öffentlichen Dienst keinen entscheidenden Einfluss gehabt.
f. Zutreffend wird im vorliegenden Fall die Entwicklung des Nominallohnindexes für das Land Bremen zugrunde gelegt. Nachvollziehbare Gründe, den Nominallohnindex für das Land Niedersachsen zu Vergleichszwecken heranzuziehen, trägt das beklagte Land nicht vor.
g. Soweit das Verwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen ausführt, dass die Veränderungen im Beihilferecht bezüglich der Validierung der Vermutung einer evident unzureichenden Alimentation hingegen unergiebig seien, da diese die Richter, Staatsanwälte und sonstige Beamte in der Gesamtschau nicht in erheblichen Maße belasten, bleibt jedoch festzuhalten, dass aufgrund der Verschlechterung der Beihilfeleistungen seit 1997 insoweit die finanziellen Belastungen gestiegen sind, mithin Richtern und Staatsanwälten letztlich weniger Einkommen zur Verfügung steht.
h. Zutreffend kommt das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass die Entwicklung des Versorgungsrechts im Land Bremen seit 1999 die Vermutung der evident unzureichenden Alimentation bestärkt; insoweit entsprechen die Ausführungen der vom Deutschen Richterbund seit langem vertretenen Position (vgl. gemeinsames Positionspapier des Deutschen Richterbundes und des Bundes Deutscher Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen zur Besoldung und Versorgung der Richter und Staatsanwälte vom August 2008).
i. Der vom Verwaltungsgericht vorgenommene Vergleich der R 1-Besoldung im Land Bremen mit Einkommen von Arbeitnehmern in der Privatwirtschaft mit vergleichbarer Qualifikation und Verantwortung bestätigt die vom Deutschen Richterbund vertretene Auffassung, dass Richter und Staatsanwälte trotz ihrer überdurchschnittlichen Qualifikation sowie der Bedeutung und Schwierigkeit der ihnen zugewiesenen Aufgaben nicht überdurchschnittlich besoldet werden, vielmehr, dass Richter trotz ihrer regelmäßig überdurchschnittlichen Examensnoten im Vergleich mit Arbeitnehmern in der Privatwirtschaft nur durchschnittlich entlohnt werden. Schon nach der vom Deutschen Richterbund in Auftrag gegebenen Studie der Kienbaum Management Consultants GmbH konnten überdurchschnittlich qualifizierte Juristen in der Privatwirtschaft (insbesondere angestellte Rechtsanwälte) im Zeitraum von 1992 bis 2002 Gehaltssteigerungen von ca. 30 % verbuchen. Dieser Trend hat sich - wie das Verwaltungsgericht zutreffend aufgezeigt hat - jedenfalls bis 2010 fortgesetzt und ist im Hinblick auf die positive wirtschaftliche Entwicklung auch für die Jahre 2013 und 2014 zu antizipieren. Darüber hinaus haben private Arbeitgeber im Wettbewerb um die am besten qualifizierten Juristinnen und Juristen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erheblich verbessert, bieten neben dem gegenüber der R-Besoldung höheren Gehalt die Möglichkeit einer sehr guten Altersversorgung sowie zahlreiche Leistungen zur Weiterbildung oder beispielsweise auch zur Erhaltung der Gesundheit.
j. Zu Recht weist das Verwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen in seinem Vorlagebeschluss unter Bezugnahme auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Mai 2015 und 17. November 2015 auf die Bedeutung der amtsangemessenen Alimentation für die Attraktivität des Richterberufs für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte hin.
Der Deutsche Richterbund ist immer der Auffassung gewesen, dass unter den im Vorlagebeschluss geschilderten unterschiedlichen Einkommensverhältnissen und Entwicklungen die Gewinnung der bestqualifizierten Juristen nicht mehr gewährleistet ist. Die Erfüllung der zentralen Staatsaufgaben insbesondere in der Justiz ist deshalb in qualitativer Hinsicht durch ein kurzsichtiges Verhalten des Besoldungsgesetzgebers nicht mehr hinreichend gewährleistet. Ein Besoldungsniveau, wie es das Verwaltungsgericht in dem Vorlagebeschluss festgestellt hat, kann nicht mehr die Wettbewerbsfähigkeit des Justizdienstes um die besten Kräfte gewährleisten. Hinzu kommt noch, dass die Justiz durch den bereits einsetzenden demografischen Wandel unmittelbar vor zusätzlich großen Problemen bei der Gewinnung qualifizierten Personals steht und zunehmend stehen wird. Die rückläufige Bevölkerungsentwicklung in Deutschland führt zu einem geringeren Angebot an qualifizierten Kräften. Bereits jetzt zeigt sich für größere Bereiche der Richterschaft in den verschiedenen Gerichtszweigen ein zunehmend ansteigender Mangel an qualifiziertem Nachwuchs. Unter Berücksichtigung des dargestellten höheren Einstellungsbedarfs droht daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine bereits jetzt feststellbare weitere Verknappung von qualifizierten Nachwuchskräften für den richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Dienst.
Dem Dienstherrn kann dementsprechend nicht gleichgültig sein, dass die Wettbewerbsfähigkeit des Justizdienstes um die besten Kräfte durch die zunehmende Unattraktivität der Besoldung der Richter und Staatsanwälte dramatisch abnimmt. Die Funktionsfähigkeit und Qualität der Rechtsprechung - ein zentraler Standortfaktor für den Industrie- und Investitionsstandort Deutschland - hängen in erheblichem Maße von der Attraktivität der R-Besoldung für besonders qualifizierte Juristen ab.
Bereits oben ist dargelegt worden, dass sich die „Einkommensschere“ zwischen Richtern/Staatsanwälten und vergleichbaren Juristen in der Privatwirtschaft (Anwaltschaft) in nicht unerheblichem Ausmaße in der Vergangenheit auseinanderentwickelt hat. Damit wird die mangelnde Attraktivität der R-Besoldung für qualifizierte Juristen der Öffentlichkeit nachdrücklich vor Augen geführt und das Ansehen des Richterberufs in den Augen der Rechtsuchenden deutlich herabgesetzt.
2. Prozedurale Anforderungen
Der Deutsche Richterbund teilt die Auffassung des vorlegenden Verwaltungsgerichts, dass die gesetzgeberische Entscheidung des Landes Bremen über die Alimentation der Klägerin in den Jahren 2013 und 2014 die aus Art. 33 Abs. 5 GG folgenden prozeduralen Anforderungen missachtet hat.
Die Festlegung der Besoldungshöhe durch den Gesetzgeber ist an die Einhaltung prozeduraler Anforderungen geknüpft. Diese Anforderungen treffen ihn insbesondere in Form von Begründungspflichten. Der Gesetzgeber ist gehalten, bereits im Gesetzgebungsverfahren die Fortschreibung der Besoldungshöhe zu begründen. Die Ermittlung und Abwägung der berücksichtigten und berücksichtigungsfähigen Bestimmungsfaktoren für den verfassungsrechtlich gebotenen Umfang der Anpassung der Besoldung müssen sich in einer entsprechenden Darlegung und Begründung des Gesetzgebers im Gesetzgebungsverfahren niederschlagen. Eine bloße Begründbarkeit genügt nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen der Prozeduralisierung. Der mit der Ausgleichsfunktion der Prozeduralisierung angestrebte Rationalisierungsgewinn kann − auch mit Blick auf die Ermöglichung von Rechtsschutz − effektiv nur erreicht werden, wenn die erforderlichen Sachverhaltsermittlungen vorab erfolgen und dann in der Gesetzesbegründung dokumentiert werden. Die Prozeduralisierung zielt auf die Herstellung von Entscheidungen und nicht auf ihre Darstellung, d. h. nachträgliche Begründung (BVerfG, Urteil vom 5. Mai 2015, a.a.O., Rdnr. 129 f.; Beschluss vom 17. November 2015, a.a.O., Rdnr. 112 f.).
Da das Land Bremen vor der Besoldungsanpassung für die Jahre 2013 und 2014 keine Erhebungen über die Entwicklung und Höhe der Einkommen in der Privatwirtschaft und über die Entwicklung der Lebenshaltungskosten vorgenommen hat, konnte es mangels Grundlage auch keine nachvollziehbare Abwägung über die notwendige Höhe der Alimentation vornehmen. Die gesetzgeberische Unterlassung führt dazu, dass keine zureichende Entscheidungsgrundlage für die Besoldungsanpassungen für die Jahre 2013 und 2014 besteht und damit das verfassungsrechtlich durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützte subjektive Recht auf eine amtsangemessene Alimentation für den einzelnen Richter bzw. Staatsanwalt nicht mehr unter zumutbaren Bedingungen durchgesetzt werden kann. Eine - wenn auch nur beschränkte - gerichtliche Kontrolle des Ergebnisses der gesetzgeberischen Entscheidung bleibt unmöglich, mit der Folge, dass das jeweilige Gesetz schon aus diesem Grunde als nicht verfassungsgemäß zu bewerten ist.